Wer Arbeit sucht, sollte nicht an der deutsch-niederländischen Grenze haltmachen. Wer sich beruflich verändern möchte, für den könnten sich im Nachbarland größere Chancen als in der Heimat bieten. Fachleute beider Länder ermutigten bei der virtuellen Eröffnung des „Service Grenzüberschreitende Arbeit“ (SGA) die Menschen zwischen Rhein, Niers und Maas dazu, den Radius bei der Arbeitssuche zu erweitern. Das neue Angebot in der Grenzregion unterstützt dabei aus einer Hand.
Als zentrale Anlaufstelle für niederländische und deutsche Arbeitgeber und Arbeitnehmer besteht der SGA seit zwei Jahren, eingerichtet als One-Stop-Shop im niederländischen Venlo. Pandemiebedingt war zunächst auf eine Eröffnungsfeier verzichtet worden. Virtuell ist das nun am 2. Februar 2022 nachgeholt und zugleich mit einer ersten Bilanz verknüpft worden. Verweisen kann das kleine Team des SGA bereits auf mehr als 160 Menschen, die durch die Beratungsstelle eine Beschäftigung im Nachbarland gefunden haben. Darüber hinaus wurden weitere 735 Frauen und Männer bei der Suche nach grenzüberschreitender Arbeit unterstützt, während der Corona-Pandemie überwiegend virtuell und telefonisch. „Ich bin fest davon überzeugt, dass der Bedarf, grenzübergreifend zu arbeiten, steigen wird“, erklärte Frank Meyer, Oberbürgermeister der Stadt Krefeld und Präsident der euregio rhein-maas-nord. „Dem SGA kommt dabei eine wichtige Rolle zu. Hier wird den Menschen geholfen, Dinge zu regeln, die beim Arbeiten im Nachbarland zu beachten sind. Der SGA senkt die Hemmschwelle, sich auf das Arbeiten im Nachbarland einzulassen.“
Partner der euroregionalen Kooperation sind neben der euregio rhein-maas-nord und deren GrenzInfoPunkt die Agenturen für Arbeit in Mönchengladbach und Krefeld, das Jobcenter des Kreises Viersen, der UWV Nord- und Mitte-Limburg sowie der Arbeitsmarktregion Nord-Limburg. Vorbild des „Service Grenzüberschreitende Arbeit“ mit Sitz in Venlo ist der 2016 ins Leben gerufene SGA in Kerkrade. Der nordrhein-westfälische Europaminister Stephan Holthoff-Pförtner erläuterte: „„Die Euregios bieten damit eine Rundum-Betreuung. Ob es Beratung zu Fragen der Sozialversicherung ist oder ob es das Thema Steuern betrifft — alles ist in einem Haus. Den angebotenen Service nehmen unglaublich viele Menschen an.“ Die Arbeitsmärkte auf beiden Seiten der Grenze stärker zu vernetzen, sei „ein Gewinn für beide Seiten. Die Grenzregionen sind Gewinnerregionen.“ Emile Roemer, Commissaris van de Koning, berichtete in einer ersten Bilanz: „Ohne eine Anlaufstelle wie den SGA und ohne den Blick über die Grenze würden die Menschen viele Chancen liegenlassen. Der SGA bietet einen enormen Mehrwert für Arbeitnehmer und Arbeitgeber, sich gegenseitig zu finden. Niederländer und Deutsche finden sich, wenn es ums Benzin oder um den Einkauf geht – es wurde höchste Zeit, dass wir uns auch bei der grenzüberschreitenden Arbeit finden.“
Neben der Arbeitsvermittlung sind Informationen zu Steuern, Sozialversicherung und grenzüberschreitendem Arbeiten wesentlicher Bestandteil des Angebots, das der SGA im deutsch-niederländischen Grenzgebiet macht. Arbeitgeber werden beim Bewerten von Diplomen, Abfassen von Stellenangeboten und bei der Registrierung im niederländischen und deutschen Stellenangebotssystem beraten. Unterstützt wird außerdem bei der Vermittlung von geeigneten Kandidaten für die ausgeschriebenen Stellen. Arbeitsuchende wiederum können ihr Bewerbungsprofil sowohl in die niederländische als auch in die deutsche Stellendatenbank eingeben, erhalten Hilfe bei Bewerbungsschreiben und können an einem Bewerbungstraining teilnehmen. Zudem gibt es Ratschläge zur Anerkennung von Abschlüssen und anderen beruflichen Qualifikationen, die für eine grenzüberschreitende Tätigkeit erforderlich sind.
Angebot und Nachfrage auf dem Arbeitsmarkt unterscheiden sich in manchen Branchen zwischen Deutschland und den Niederlanden. Gleichwohl gilt es auch, gemeinsame Problemlösungen zu erarbeiten, machten die Fachleute beider Länder bei der virtuellen Eröffnung des SGA deutlich. „Das Erwerbspersonenpotenzial geht zurück. Das ist in Deutschland so, das ist in den Niederlanden so. Das lässt sich im Grunde nicht aufhalten, weil die Menschen nicht geboren sind, die wir bräuchten. Man kann aber versuchen, mit intelligenten gemeinsamen Aktivitäten eine bessere Situation hinzubekommen“, sagte Rainer Imkamp, Vorsitzender der Geschäftsführung der Agentur für Arbeit Krefeld. Digitalisierung, qualifizierte Zuwanderung, Ausbildung und Weiterbildung seien die zu bearbeitenden Felder: „Die Beratung und Unterstützung ist hier die gemeinsame Arbeit des SGA.“
Dass es gemeinsame wirtschaftliche Interessen gibt, zu denen ein funktionierender gemeinsamer und grenzüberschreitender Arbeitsmarkt gehört, verdeutlichte Alexander Vervoort, Vorsitzender der Arbeitsmarktregion Nord-Limburg: „Zum einen bieten sich den Einwohnern dadurch mehr Chancen. Es ist deshalb Aufgabe des SGA, die andere Seite der Grenze und die damit verbundenen Möglichkeiten zu zeigen. Zum anderen bietet der deutsche Arbeitsmarkt ein hohes Potenzial durch neue Kandidaten für niederländische Arbeitgeber. Mein Traum in Bezug auf den Arbeitsmarkt ist, dass wir die Landesgrenzen vergessen.“ Für ihn bedeute die euregionale Zusammenarbeit: „Da, wo nötig und wo möglich, zusammen investieren und Vereinbarungen untereinander zu treffen.“ Der SGA in Venlo sei bereits „eine wichtige Investition für gute, verlässliche und erreichbare Informationen“. Konkret machte das Don Thijssen, Regiomanager des UWV Nord- und Mitte-Limburg, der die Auswirkungen der Grenzlage auf den Arbeitsmarkt beschrieb: „Man hätte nur die Hälfte an Chancen, ohne die Orientierung auf den grenzüberschreitenden Arbeitsmarkt.“ Für Projektpartner wie auch Kundinnen und Kunden sei es jedoch hilfreich, den Radius bei der Arbeitssuche zu erweitern: „Wir lernen viel von den Kollegen in Deutschland und hoffentlich die deutschen Kollegen auch von uns. Und freie Stellen gibt es auch in allen Bereichen, mit Ausnahme der Branchen, die im Lockdown waren. Doch auch hier wird schon wieder gesucht.“
Venlo wurde als Standort gewählt, weil er in der Nähe der deutschen Grenze liegt. Hier wurde ein spezieller Raum eingerichtet, in dem immer drei Mitarbeiter des Teams Grenzarbeit anwesend sind. „Die Fragen eines Arbeitgebers oder einer Arbeitnehmerin werden an einem Ort beantwortet, das ist das tolle an diesem neuen Angebot. Man wird von einer deutschen und einer niederländischen Fachkraft beraten“, erklärte Angela Schoofs, Vorsitzende der Geschäftsführung der Agentur für Arbeit Mönchengladbach. Teilweise handele es sich um ganz existenzielle Fragen, die es vor einem Jobwechsel ins Nachbarland zu beantworten gelte: „Wer in Deutschland schon gearbeitet hat, überlegt vielleicht: Verliere ich etwas, wenn ich in die Niederlande wechsle? Kann ich hier versichert bleiben? Wenn solche Fragen nicht beantwortet werden, dann gehe ich nicht rüber.“ Deshalb rate sie dazu, zunächst den Weg zum SGA zu gehen: „Es wird sich zeigen: So schwer ist das nicht.“ Dem pflichtete Maike Hajjoubi als Geschäftsführerin der euregio rhein-maas-nord bei: „Wir sprechen deshalb von einem One-Stop-Shop. In dem können wir den Kunden einen 360-Grad-Blick auf die gemeinsame Arbeitsmarktregion anbieten, weil wir in die Systeme all unserer Partnerorganisationen schauen können. Das hilft dabei, Probleme zu vermeiden, die ansonsten aufgrund unterschiedlicher Strukturen in Deutschland und den Niederlanden auftreten könnten.“
In dieser Kompetenz sieht auch Franz-Josef Schmitz, der Geschäftsführer des Jobcenters im Kreis Viersen ist, den größten Vorteil des neuen Angebots: „Die von uns betreuten Langzeitarbeitslosen benötigen eine engere Begleitung. Diese bietet der SGA, wenn eine Arbeit im Nachbarland aufgenommen werden soll. Und der SGA begleitet die Menschen anschließend auch nach der Arbeitsaufnahme noch. Für Menschen, die länger aus dem Erwerbsleben gewesen sind, kann das von großer Bedeutung sein und dabei helfen, dass eine Arbeit nachhaltig aufgenommen werden kann.“
Hier geht es zur Aufzeichnung der Live-Übertragung: YouTube-Video